Slowakische Republik 2008

Konzertreise in die Slowakische Republik

Von Reinhild Moll

Seit der Jahrtausendwende gibt es in der Grunewaldgemeinde eine schöne und bei allen teilnehmenden Musikern beliebte Tradition: Alle zwei Jahre begibt sich die Kantorei mit Günter Brick auf Auslandsreise, gemeinsam mit dem Schöneberger Kammerorchester unter Sabine Wüsthoff und ausgewählten zusätzlichen Musikern, je nach musikalischem Programm. Es wird eine Woche oder mehr geprobt und konzertiert, und ein bisschen Ferien sollen auch sein. Touristische Begleitprogramme bieten Einblick in Kultur, Geschichte und Landschaft der Gastländer und wecken bei manchem die Lust auf’s Wiederkommen. So haben wir in den letzten Jahren ein Stück von Italien, Estland, Polen und Tschechien kennen- und schätzen gelernt. Diesmal also die Slowakei, im Gepäck das Oratorium „Esther“ von Georg Friedrich Händel.


2008_Slowakei_Hotel


Wie immer, war der Auftrieb enorm, als am Freitag morgen um sieben rund 100 Reiselustige vor der Grundwaldkirche in die Busse verladen wurden. Das Problem mit dem schweren Begleitgepäck – Cembalo, Chorpodeste, Pauken, Kontrabass und stufenkompatible Stühle – war diesmal elegant gelöst: Statt Busanhänger begleitete uns ein Miettransporter, der dann auch noch den einen oder anderen Kinderwagen aufnehmen konnte. Familienanhang war ausdrücklich willkommen, und so ließen sich Chor und Orchester von nicht singenden Freunden, Angehörigen und rund einem Dutzend Kindern vom Baby- bis zum Konfirmandenalter begleiten. Auch Kantor Günter Brick reiste mit zwei kleinen Söhnen nebst mitarbeitender Ehefrau.


2008_Slowakei_Fussball


Die Anreise durch Polen und Tschechien in die Slowakei war mühsam – Busfahrer brauchen ihre regelmäßigen Pausen,polnische Toiletten sind knapp und die Schlangen davor lang -, und zuguterletzt wäre einer der Busse auf der sandigen Zufahrt zu unserem Zielort beinahe stecken geblieben. Doch das Ziel, ein Sporthotel mitten in den Bergen bei Prievidza, lohnte Mühe und Aufwand allemal. Wir hatten es ganz allein für uns, samt Swimmingpool und Tennisplatz, Hütten und einer kleinen „Jugendherberge“. Und wir hatten Petrus auf unserer Seite: Hochsommerliches Wetter beim Wandern auf steile Felsen und bei allen Ausflügen – in die Hauptstadt Bratislawa, die historischen Bergbaustädtchen Banska Bystrica und Banska Štiavnica und in die Tropfsteinhöhle bei Jasna in der Niederen Tatra – versetzte die Musiker trotz des anstrengenden Arbeitseinsatzes in Urlaubsstimmung, und alle anderen sowieso.

Wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Reise hatte „unser Mann vor Ort“: Branislav (Branjo) Krpelan, jugendlicher Bürgermeister der kleinen Gemeinde Kamenec pod Vtačnikom in der Nähe, war nicht nur Planer und Organisator im Vorfeld(gemeinsam mit Gerlinde im Chor), er war auch unermüdlicher und stets gut gelaunter Begleiter, Reiseführer, Vermittler, Übersetzer, Sprachkursleiter und Veranstalter eines hochpolitischen wie sportlichen Nachmittags in seiner Heimatgemeinde. Nicht nur, dass wir dort als Gäste während einer Podiumsdiskussion zur Beruhigung der Gemüter im Hinblick auf die bevorstehende Euro-Einführung beitragen durften, es folgte noch ein besonderes Highlight auf dem Fußballplatz des Ortes.

Dieselben durchtrainierten jungen Männer, die uns das Mittagessen im Gemeindehaus serviert hatten, traten nun zum Freundschaftsspiel gegen eine aus Männern, Frauen und Kindern zusammengewürfelte Berliner Mannschaft an. Bei 30 Grad im Schatten und praller Mittagssonne schlugen sich unsere Sänger, Instrumentalisten, Ehemänner und der 10jähirge Felix bravourös mit 2:10, der Rest der Hundertschaft fieberte auf der Tribüne lautstark mit. Mit einem kleinen Konzert auf der örtlichen Freilichtbühne bedankten wir uns bei der gastfreundlichen Gemeinde.


2008_Slowakei_Probe


Auch die Orte für unsere „großen“ Konzerte hatte Branjo ausgesucht. In Banska Bystrica, Bergbaustädtchen aus dem 13. Jahrhundert mit schön restaurierter und gut erhaltener Altstadt, treten wir in der einzigen evangelischen Kirche, gleich vor der ehemaligen Stadtmauer, auf. Die Kulisse für das Abschiedskonzert aber ist die älteste, bedeutendste und wohl auch schönste Burg der Slowakei, Burg Bojnice. Sie thront seit dem 12. Jahrhundert imposant auf einem Travertinhügel hoch über der Stadt und beherrscht mit ihren gewaltigen Ausmaßen das ganze Tal. Unsere Bühne ist die barocke Gemäldegalerie des Schlosses, der Saal ist voller festlich gekleideter Menschen, die gebannt Händels „Esther“ lauschen. Ein Konzert wie dieses haben sie angeblich nie vorher gehört. Sie danken stehend mit heftigem Beifall.