Estland 2002

Chor und Orchester traten mit Brahms-Requiem in Tallinn und Tartu auf

Von Elmar Kilz

Vom 2. bis zum 11. August 2002 fuhren über 140 Mitglieder, Angehörige und Freunde der Berliner Kantorei und des Schöneberger Kammerorchesters an der Grunewaldgemeinde per Bus und Schiff nach Estland. Wir hatten vorsichtshalber für alles vorgesorgt: neben allen Instrumenten (incl. Kontrabässen, Pauken und Harfe) wurden auch Stromkabel, Scheinwerfer, Chorpodeste und Tausende Werbezettel mitgeschleppt.


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Speziell an den Zollstellen in Rostock und Tallinn stellten die großen Podeste logistische Herausforderungen dar, da die engen und verwinkelten Gänge nicht für so großes Gerät und die Zöllner nicht auf Dutzende hin und her rennende Grenzgänger eingerichtet waren. Nach Meisterung dieser Engpässe wurden wir mit Bussen in das Hotel am südwestlichen Stadtrand von Tallinn gefahren, wo wir im 7. bis 9. Stockwerk untergebracht waren, was für die beiden Drei-Personen-Aufzüge eindeutig eine Überlastung darstellte, so dass zu den täglichen sängerischen Übungen auch das mehrmalige Treppensteigen erfolgreich geübt werden konnte.


2002_Estland_Werbezettel


Unterbringung und touristische Betreuung durch örtliche Reiseleitung, Ausflüge und Konzertan- und -abreise waren gut organisiert, die Verpflegung incl. Lunchpaketen war schmackhaft und gut organisiert – so viele Menschen innerhalb einer Stunde abzufüttern ist schon eine Herausforderung, die täglich hervorragend gemeistert wurde.

Neben den täglichen Proben in überhitzten und engen Konferenzsälen, die zu Probenräumen umfunktioniert wurden, standen Ausflüge nach Tallinn in die Altstadt, in die Universitätsstadt Tartu, den Ferienort Haapsalu an der Westküste und in den Nationalpark Laheemaa an der Nordküste auf dem Programm. Dabei wurden fleißig Werbezettel verteilt, bis die ganzen Straßen gespickt mit gelben Zetteln waren.


2002_Estland_Saengerstadion


Estland ist ein kleines Land mit 1,4 Mio. Einwohnern, davon nur 800.000 Esten, die ihre Freiheit lieben und völlig gewaltlos vor allem durch Pflegen ihrer sängerischen Traditionen der Volks- und Nationallieder auch während der russischen Zeit ihr nationales Selbstbewusstsein bewahrt haben.

Estland wurde uns mit Charme, Offenheit und viel Nationalstolz präsentiert. Mein Eindruck ist der eines Landes, das große Modernisierungsanstrengungen zeigt und absolut westlich orientiert ist, da seine Geschichte von den Deutschritterorden über dänische, schwedische, polnische und russische Besetzung bis zur gewaltlosen Befreiung aus der Sowjetunion nun erstmals seit langer Zeit wieder eine selbstbestimmte Entwicklung ermöglicht, die in die EU führen soll.

Für mich war es ergreifend, gerade in Estland das „Deutsche Requiem“ zu singen, da es von Tod, Unterdrückung und Leid handelt, also dem, was Estland so lange mitgemacht hat. In Tartu sagte nach dem Konzert ein estnischer Gemeindevertreter in ergreifenden Worten auf Deutsch, dass sie diese Musik auch als Würdigung für die vielen Gefallenen sehen und den in diesem großartigen Stück enthaltenen Trost jetzt erst in dieser Zeit richtig mitempfinden können.


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Die beiden Konzerte in der Karlskirche in Tallinn und in der Pauluskirche in Tartu waren gut besucht, beide Male waren der deutsche Botschafter sowie einige unserer Reiseleiterinnen anwesend. Es war nach den vielen Proben erstaunlich, was unsere beiden Chefs, Sabine Wüsthoff und Günter Brick, gesangstechnisch und orchestral aus uns noch herausgeholt haben. Die beiden anschließenden Konzerte in Berlin und Lehnin haben davon sehr profitiert.