Berliner Kantorei und Schöneberger Kammerorchester auf Konzertreise in die Toskana
Von Birgit Zellner
Am 27.10.00 war es denn endlich soweit. Die lang geplante und heiß erwartete Reise in die Toskana konnte beginnen. 137 Musiker machten sich auf den Weg nach Cecina Mare, mit Bus, Zug, Auto, Flugzeug und Motorrad.
Am schnellsten waren einige Autofahrer, aber eigentlich hatten diese gemogelt, sie waren schon ein paar Tage früher gefahren, um die italienische Luft etwas ausgiebiger zu schnuppern. Die Zugfahrer waren bereits am frühen Nachmittag des 28.10.00 da und konnten sich schon mal ihre Zimmer sichern. Die Flieger kamen recht unterschiedlich, so auch die restlichen Auto- und Motorradfahrer. Der Nachtbus, Abfahrt Grunewaldkirche 21.45 Uhr, kam gut durch. Mit einem Fahrerwechsel bei Ulm und regelmäßigen Pausen trafen wir gegen 18.00 Uhr in Cecina ein. Die längste und anstrengendste Tour hatte sicher der große Doppeldeckerbus mit Anhänger für Gepäck und Instrumente, Abfahrt Grunewaldkirche 14.00 Uhr. Mit einer Geschwindigkeitsgrenze von Tempo 80 km/h rasselte er direkt in den schönsten Ferienstau und kam erst gegen 1.30 Uhr nachts am Übernachtungsquartier am Bodensee an. Dort ging es am Samstag um 11.00 Uhr wieder los. Jedoch sollte es auch an diesem Tag nicht schneller gehen, Ankunft in Cecina erst um 21.00 Uhr.
Die Hotel-Residence La Buca del Gatto („Das Loch der Katze“, es gab viele zutrauliche Kätzchen) meisterte souverän die Zimmerverteilung. Da konnte man zufrieden sein, teilweise bewohnten wir die schönen Maisonette-Wohnungen nur zu zweit, täglicher Handtuchwechsel und Bettenmachen inklusive. Jede Wohnung / jedes Zimmer mit Balkon oder kleiner Terrasse. Zum Sonnen ideal, und die Sonne meinte es oft sehr gut mit uns (geregnet hat es aber übrigens auch hin und wieder ziemlich heftig!).
Nur fünf Minuten entfernt ein Pinienwald, ideal für unsere morgendlichen Jogger. Direkt anschließend das Meer, das auch so einige früh aus den Federn lockte. Nach einem erfrischenden Bad und einer heißen Dusche frühstückt es sich doch gleich noch mal so gut. Man tat nur gut daran, rechtzeitig beim Frühstück zu erscheinen, sonst konnte es durchaus passieren, dass die leckeren warmen Croissants aufgefuttert waren.
Da wir Halbpension gebucht hatten, wurden wir einmal am Tag abwechselnd zu Mittag oder zum Abend mit italienischer Küche verwöhnt. Vorab Pasta, jeden Tag anders, jeden Tag superlecker. Danach für die Vegetarier leider meist kalt, viel Käse und Gemüse. Für die Nichtvegetarier gab es jeden Tag Fleisch, mal Huhn, mal Schwein und auch nicht immer jedermanns Sache (aber allen kann man es nie recht machen). Dazu mal mehr, mal weniger Gemüse oder Salat und zum Nachtisch immer leckere obersüße Puddings in verschiedenen Variationen. Die Getränke mussten direkt am Tisch extra bezahlt werden, also nicht “all inclusive”. Trotzdem immer dabei Aqua Minerale con Gas bzw. gerne Vino Rosso und hinterher zur Verdauung einen Capuccino oder Latte Macchiato . Die ganze Mahlzeit war schon fast so etwas wie eine Zeremonie und zog sich meistens so 1-1 ½ Stunden hin, wodurch wir schon ab und zu mit unseren Ausflugs- und Probenzeiten in Bedrängnis kamen.
Unser Ausflugsprogramm beinhaltete die schönsten und interessantesten Städte in der näheren Umgebung bis zu 130 km Entfernung. Jeden Tag waren wir mit den Bussen unterwegs, außer Mittwoch, da legten die Busse nebst Fahrern einen gesetzlich vorgeschriebenen Ruhetag ein.
Lucca, Pisa, Florenz, Volterra, San Gimignano, Siena.
Eigentlich ein Dreiwochenprogramm in einer Woche zusammengerafft.
In Pisa blieb uns nach 1 Stunde Anfahrt und 1 Stunde Kurbelei bei der Suche nach einem Busparkplatz (immerhin konnten wir die Stadt schon mal durchs Busfenster begutachten!) noch gerade eine knappe Stunde zur Besichtigung des Schiefen Turms, Andenkenerstehung und Essensaufnahme.
In Florenz hatten sich die meisten für eine Führung durch die Uffizien angemeldet. Noch von den diversen Balkonpartys am Vorabend leicht oder mittelschwer geschwächt schlenderten wir mit oder ohne Kopfhörer vorbei an den Werken Botticellis, Leonardo da Vincis, Michelangelos, Tizians, Raffaels, etc.. Die Stadtführung von 15.00 bis 17.00 brachte uns zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Florenz. Ponte Vecchio, Piazza della Signoria mit dem Pallazzo Vecchio, Duomo S. Maria d. Fiore und Baptisterium, Santa Croce. Überschattet wurde unser Florenzausflug durch die Sorge um unsere treue Seele Gisela W.. Wir hatten sie beim ersten Busstop an der Piazzale Michelangelo (von hier oben hat man einen phantastischen Rundumblick über die Stadt!) “vergessen”. Zu 17.00 Uhr war sie, Gott sei Dank, wieder am Bus. Hilfsbereite Italiener mit Handys (bei jedem zweiten schon fast mit dem Ohr verwachsen!) konnten unsere Gisela “retten”.
Die zauberhaften Bergdörfer Volterra und San Gimignano besuchten wir an einem Tag. Kurvenreich (das machte einigen im Bus doch sehr zu schaffen!) schlängelt sich die Straße nach Volterra 555 Meter hinauf und hinab. Volterra ist die Stadt des Alabasters.
Die Läden sind angefüllt mit diversen Kunstwerken. San Gimignano ist schon aus der Ferne mit ihren 15 bis zu 54m hohen mittelalterlichen Geschlechtertürmen erkennbar. Viele kleine Gassen mit Läden zum Bummeln prägen das Stadtbild.
Hier trafen wir auch unsere Motorradfahrer, die sich mit zwei Motorrädern zu dritt selbständig auf Erkundungstour gemacht hatten. Leider kamen sie nicht so glücklich wie wir wieder nach Cecina zurück. Aufgrund des Regens und der Kurven hatte ein Motorrad einen Unfall. Die Beifahrerin mußte mit Knochenbruch ins Krankenhaus. Nach dem ersten Schock waren wir aber doch froh, daß nicht Schlimmeres passiert war.
Geprobt haben wir natürlich jeden Tag, schließlich wollten wir doch bei unseren Konzerten glänzen. Die intensiven Proben, jetzt eben regelmäßig mit Orchester, waren sehr anstrengend, haben uns jedoch sehr viel weiter gebracht. Wie sagte so schön “unser” Busfahrer aus dem Doppeldeckerbus nach dem Konzert in Siena: “Ich war sehr beeindruckt. Ich hätte bei der vielen Proberei nicht gedacht, dass Ihr das so prima hinkriegt.”
Unsere Konzerte:
in Siena am Freitag, den 3.11., direttore: Sabine Wüsthoff, und am Samstag, den 4.11., direttore: Günter Brick, waren der krönende Abschluss unserer emsigen Überei. Zwei Stunden dauert die h-Moll Messe von Johann Sebastian Bach. In Italien ist es üblich, dass die Konzerte immer erst gegen 21.00 Uhr beginnen und bei Aufführungen in Kirchen dazu der Eintritt frei ist. So gibt es natürlich ein ständiges Kommen und Gehen während der Aufführung (selbstverständlich nur in den Pausen!), aus der Sicht des Sängers von oben wunderbar zu beobachten. Die Chiesa di S. Agostino in Siena liegt eher etwas versteckt unweit des berühmten Il Campo (den wir während einer zweistündigen Pause zum Essen und Bummeln leider nur im Dunkeln genießen konnten.). Schön anzusehen waren hier die mit großen Tücherplanen abgehängten Wände und Decken, was uns jedoch leider etwas von der Akustik nahm. So meisterten wir hier unser concerto zwar fast fehlerlos, jedoch vielleicht noch etwas verhalten und nicht ganz überzeugt, wobei uns Sabine Wüsthoff fabelhaft und strahlend durch die Messe geführt hat.
Anders hingegen unsere Aufführung in der Basilica di San Lorenzo in Firenze am darauffolgenden Samstag Abend. Die Basilika besticht schon allein durch ihre Größe und wird von vielen Touristen während eines Florenzaufenthaltes im Rahmen einer Stadtbesichtigung aufgesucht. Wie beschreibt dies so schön der kleine Faltprospekt von San Lorenzo: “ Die Basilika San Lorenzo ist der religiöse Mittelpunkt des ab dem 15. Jahrhundert errichteten Monumentalkomplexes San Lorenzo, der außer der Kirche die Bibliotheca Laurenziana und die Medici-Kapellen umfasst. Auch wenn heute diese Gebäudeteile unabhängig voneinander besucht werden, vermittelt die Einheit der ganzen Anlage in ihrer reichen Erlesenheit die Botschaft des hl. Laurentius: den Glauben in Gott, aber auch in den Menschen und seine Kultur.”
Der Klang, der hier nach jedem Ton wieder zurückkam, war beeindruckend und musste von uns und besonders von unserem wie immer großartigen Günter Brick berücksichtigt werden, der dieses Konzert wunderbar einfühlsam dirigierte. Die meisten der schätzungsweise etwa 700 Zuhörer blieben auf ihren Bänken (!) – sofern sie einen Sitzplatz bekommen hatten – und waren im nachhinein begeistert. Den „standing ovations“ wurde von uns mit einer Repetition des ,Gratias agimus tibi’ gedankt.
Die Rückfahrt Richtung Berlin starteten wir gegen 24.00 Uhr (zuvor waren erst noch die Zugfahrer zum Bahnhof gebracht worden!). Wir hatten uns noch rechtzeitig mit Vino Rosso und weiterer Verpflegung eingedeckt. So konnten wir die Reise stilvoll beenden und kamen erst gegen 4.00 so etwas zur Ruhe. Diesmal ging es über den Brenner, der trotz Schneefallankündigungen und Stauprophezeiungen für uns kein Problem darstellte. Mit weniger Pausen und Fahrerwechsel bei Nürnberg (danke für Eure zuverlässigen, sicheren und geschickten Fahrerdienste während unserer Reise! Vielleicht sieht man sich mal wieder!) Ankunft beider Busse an der Grunewaldkirche am 5.11.00 um 18.00 Uhr.
Es war eine sehr schöne, aber auch sehr anstrengende Reise. Jetzt heißt es erst mal erholen und vor allen Dingen schlafen. Schließlich stehen noch diverse Konzerte in Berlin an.
Sie können uns hören und sehen am 17.12.00 hier in der Grunewaldkirche mit dem Weihnachtsoratorium I, IV-VI von Bach. Wir freuen uns auf Sie!